Die Enkel des Kolumbus


Rüdiger Euler



Umschlagbild:       Mónica Vásquez de Euler


Einleitung:


Es steht wohl außer Zweifel, dass Kolumbus in erster Linie Spaß am Entdecken hatte. Seine Entdeckung führte dann jedoch leider dazu Südamerika zu erobern. Im Namen der Krone, des Kreuzes und des lukrativen Goldraubes.


Man könnte seine Entdeckung in gewisser Hinsicht mit der Entdeckung der Atomenergie vergleichen: beides geriet dann in die Hände der Politiker, und Mord und Totschlag konnte beginnen.


In kurzer Zeit hatten die Spanier das geraubte Gold verpulvert, und etwa 300 Jahre später mussten sie Südamerika räumen. Lange Zeit dämmerten sie dann vor sich hin: sie hatten nichts anderes gelernt als aus anderer Leute Taschen zu leben.


Im Geschichtsunterricht hörten wir von großen Feldzügen und Helden: Alexander der Grosse, die Römer, später Napoleon, die Zaren, die Kolonialkriege. Neueren Datums, – ich hörte davon in den 50er Jahren schon nichts mehr im Geschichtsunterricht -, Hitlers Krieg mit seiner Idee vom Lebensraum im Osten, die Japaner in Fernost, und brandneu: der Irakkrieg der US-Amerikaner.


Die Welt ist jedoch dabei sich zu verändern. Die Früchte der militärischen Siege werden immer zweifelhafter. Hitlers 1000 jähriges Reich war recht kurzlebig, Putin sieht in Tschetschenien nicht sehr gut aus, und Bush hofiert händeringend die UNO um sich aus dem Dilemma im Irak wieder herauszuziehen. Das Zeitalter der Eroberungsfeldzüge und Besatzungsmächte scheint vorüber. Selbst „erfolgreiche“ Wirtschaftskriege weiten sich zu Eigentoren aus. Als Thailand und Korea mit finanzpolitischen Machenschaften ruiniert wurden bekam es sogar die internationale Hochfinanz mit der Angst zu tun.


Die Enkel von Kolumbus müssen andere Hausaufgaben machen, um ein besseres Leben genießen zu können. Hochrangige Politiker von Industrienationen besuchen bettelarme afrikanische Staaten (Kanzler Schroeder, 2004) und beschwören sie doch was für ihre Entwicklung zu tun, damit man mit ihnen Geschäfte machen könne.


Die UNO gewinnt an Einfluss, wirtschaftliche Zusammenarbeit ist aktueller denn je!


Meine Welt.


Ich war Anfang der Fünfziger 8 Jahre alt, sensibel und still. Ein braver Junge, aber mit “Eigenleben”. Ich spürte damals mehr als es zu wissen, dass da was schrecklich schief gelaufen war mit meinem Vaterland. Wir lernten Geschichte bis zum letzten deutschen Kaiser. Für die Zeit danach war Funkstille. Die Weimarer Republik wurde gerade noch gestreift.

Die arbeitsfähigen Deutschen verdrängten nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Vergangenheit. Sie lebten intensiv die Gegenwart. Arbeit war das Wichtigste. Es gab viel Solidarität untereinander.

Hilfsbereitschaft und Zusammenarbeit waren das Gebot der Stunde. Geld gab´s im Rahmen des Marshallplans. Die Alliierten hatten aus der Geschichte gelernt: den Fehler von Versailles wiederholten sie nicht.

Das Resultat war binnen weniger Jahre ein Wirtschaftswunder in Deutschland. Der zigarrenrauchende dicke Kanzler Ehrhard flößte den Deutschen Vertrauen ein. Damals war es wohl einfacher Kanzler zu sein in Deutschland als heute. Es ging beständig bergauf im Land. Langsam aber sicher kehrte Wohlstand ein.

Aber es war absolut nicht alles in Ordnung in dieser Zeit. Die Deutschen hatten einen schlechten Ruf. Sie waren die bestgehasste Nation der Erde. Sie hatten 40.000.000 Tote auf dem Gewissen, hatten der Welt Elend und Verderben gebracht. Und zuhause? Ich erinnere mich nicht, dass über Hitler oder über den Krieg oder darüber wie die Familie durch all die Jahre gekommen war gesprochen wurde. Meine Schwester bekam da schon mehr mit. Sie war bei Kriegsausbruch 5 Jahre alt, und 1945, auf der Flucht vor den Russen die nach Berlin einmarschierten, war sie schon 11. Sie konnte gut rennen und sich wieselflink in den Straßengraben werfen, wenn die Jagdbomber den Flüchtlingstreck beschossen. Sie erlebte die Bombardierungen Berlins und die Flucht in einprägsamen Bildern, und konnte später zuhause recht gut die Gesprächsfetzen einordnen und sich einen Reim daraus machen, wenn mal etwas über diese Zeit gesagt wurde.

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